Unbewusste Vorurteile in der Arbeitswelt: Unternehmen und öffentliche Verwaltungen müssen gegensteuern
Auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die sich Vielfalt und Offenheit auf ihre Fahnen schreiben, fällen Entscheidungen oft auf Grundlage von unbewussten Vorurteilen. Dagegen hilft nur, eingefahrene Wahrnehmungen bewusst zu hinterfragen und standardisierte Verfahren einzuführen. Das zeigt das Dossier „Vielfalt erkennen – Strategien für einen sensiblen Umgang mit unbewussten Vorurteilen“ des Charta der Vielfalt e.V.
Unbewusste Vorurteile, Rollenklischees und Stereotype prägen das menschliche Verhalten mehr, als lange angenommen. Das hat gravierende Auswirkungen auf Entscheidungsprozesse in Unternehmen – insbesondere, wenn es um die Einstellung neuer Beschäftigter oder um Beförderungen geht. Das Phänomen der so genannten „Unconscious Bias“ (unbewusste Vorurteile) wird aktuell vor allem in größeren Unternehmen, die Diversity Management umsetzen, zunehmend diskutiert. Denn die Realisierung dieses Phänomens ist untrennbar mit dem Gelingen von Strategien zum Management personeller Vielfalt verbunden.
„Es ist essenziell, dass sich Unternehmen mit dem Phänomen der unbewussten Vorurteile beschäftigen und neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung in konkrete unternehmensinterne Prozesse übersetzen. Wenn es gelingt, Menschen nach ihren Fähigkeiten und Potenzialen zu beurteilen, profitiert davon das ganze Unternehmen“, sagt Aletta Gräfin von Hardenberg, Geschäftsführerin des Vereins Charta der Vielfalt e.V.
Der Verein hat das Dossier "Vielfalt erkennen – Strategien für einen sensiblen Umgang mit unbewussten Vorurteilen“ unter Publikationen veröffentlicht, um Organisationen genau bei diesem Übersetzungsprozess von der Wissenschaft in den Unternehmensalltag zu unterstützen, denn dazu gibt es bisher kaum für die Praxis aufbereitete Informationen aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive.
Das Dossier zeigt:
- Unbewusste Vorurteile sind in der Funktionsweise unseres Gehirns begründet: Es ist auf Effizienz getrimmt und reduziert die Komplexität unseres Alltags für uns. Das Gehirn wendet daher gelernte Muster immer wieder auf neue Situationen an (z.B.: „Erfolgreiche Führungskräfte sind männlich und weiß“).
- Unbewusste Vorurteile lassen sich nicht vollständig verhindern. Man kann aber lernen, die eigenen Wahrnehmungen und Entscheidungen besser zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen, um so objektive Entscheidungen treffen zu können.
- Gebildeten Menschen fällt es besonders schwer, unbewusst getroffene Fehlentscheidungen zu erkennen: Sie finden bessere „Erklärungen“ für ihre Unconscious Bias.
- Gelingt es der Belegschaft von Unternehmen, sich weniger von unbewussten Vorurteilen leiten zu lassen, können sie dadurch wirtschaftlich erfolgreicher sein, sei es durch objektivere Personalentscheidungen oder bei der Konzeption neuer Produkte.
- Es gibt viele Strategien und Maßnahmen, die Unternehmen helfen, Bewerber/-innen sowie Beschäftigte neutral und vorurteilsfrei zu bewerten. Ein möglicher Weg sind standardisierte Auswahlverfahren und einheitliche Beobachtungsbögen. Einige Organisationen nutzen auch anonymisierte Bewerbungsverfahren und Schulungen, die Führungskräfte und Beschäftigte sensibilisieren.
Das Dossier lässt zahlreiche Autorinnen und Autoren aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu Wort kommen, darunter die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Henkel-Vorstand Kathrin Menges und der amerikanische Soziologe Michael Kimmel. Sie geben Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen Tipps und Konzepte an die Hand, wie sie die negativen Auswirkungen von Unconscious Bias abschwächen können.