Fokus: Arbeitsplatz

Warum sich Unternehmen für Diversität und gegen Rassismus einsetzen sollten - das erklären wir mit Hilfe einer Studie von Gesicht zeigen e.V., EY Deutschland und Civey aus dem Jahr 2020.

Viele sind schon aktiv dabei. Trotzdem braucht es noch viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Denn der Austausch über Rassimus und rassistische Strukturen in der Arbeitswelt ist noch keine Selbstverständlichkeit.

Rassismus - (k)einTabu-Thema?

Der Arbeitsplatz ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Dort treffen Menschen mit ihren Perspektiven, Erfahrungen, Lebensläufen und Positionen aufeinander – und arbeiten trotz aller Unterschiede täglich miteinander. Gleichzeitig ist er ein Ort, an dem nicht nur gearbeitet, sondern auch über aktuelle politische Themen und gesellschaftliche Entwicklungen gesprochen wird. Rund 55 Prozent der befragten Beschäftigten einer repräsentativen Studie von Gesicht Zeigen e.V., EY Deutschland und Civey aus 2020 bestätigen:

„Ja, in unserem Unternehmen sprechen wir innerhalb der Belegschaft offen über Tagespolitik.“

Trotz allem scheint ein Thema eher außen vor zu bleiben: Rassismus. Dabei ist er kein Randphänomen. Viele Menschen erleben ihn alltäglich und sind am Arbeitsplatz davon betroffen. Ein paar Zahlen aus der oben erwähnten Studie:

Zwar gelten gesetzlich die gleichen Chancen für alle. Doch die Realität zeigt eben ein anderes Bild: Es gibt (unsichtbare) Barrieren für diejenigen Personen, die in ihren Identitätsmerkmalen als "anders" wahrgenommen werden. Sie erleben, dass sie sich nicht im selben Maß an der Gesellschaft und im Arbeitsleben beteiligen können.

Sie werden nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, weil ihr Name "nicht-deutsch" klingt. Sie erhalten keine Beförderung trotz guter Leistungen. Sie hören abwertende Sprüche in Meetings oder auf dem Weg in die Kantine.

Rassistische Vorfälle am Arbeitsplatz bleiben oft unter dem Radar. Denn: Erstens, niemand möchte sich und sein Verhalten als rassistisch verstanden wissen. Zweitens sind sich die meisten ihres rassistischen Handelns nicht immer bewusst. Und so gilt in diesen Fällen vielmehr das umgekehrte deutsche Sprichwort: Schweigen ist Gold, Reden ist Silber.

Positiv: Verstärktes Problembewusstsein

Aber es gibt auch gute Zeichen. Seit der Protestwelle rund um den Tod von George Floyd im Jahr 2020 scheint sich das Blatt zu wenden: Wir sind aufmerksamer und achtsamer in Bezug auf das Thema Rassismus geworden - gerade im alltäglichen Leben, aber auch im Arbeitsleben. Das Problembewusstsein wächst. Und so wünschen sich auch - der Erhebung zufolge - rund 57 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen, dass Unternehmen in Deutschland stärker Haltung gegen Rassismus zeigen.

Nicht wenige Wirtschaftsakteur_innen folgen diesem Wunsch bereits. Doch obwohl sich immer mehr Arbeitgebende klar gegen Rassismus positionieren, ist das Stimmungsbild bei Beschäftigten mit Blick auf das eigene Unternehmen nicht so eindeutig. Manche Arbeitnehmende haben Bedenken, wenn es um ein aktives Engagement ihres Unternehmens geht. Sie befürchten den Verlust von Kundschaft und somit Umsatzeinbußen.

Problem erkannt – und doch noch nicht gebannt

So mag folgendes Ergebnis der gleichen Umfrage dann doch nicht überraschen: Mehr als 45 Prozent der befragten Beschäftigten verneinen die Frage, ob in ihrem Unternehmen offen über Rassismus gesprochen wird. Dabei haben die wenigsten Sorge vor Nachteilen, wenn sie sich gegen Rassismus einsetzen. Vielmehr scheint der Einsatz gegen erlebten Rassismus noch keine Selbstverständlichkeit zu sein - weder am Arbeitsplatz noch im Privaten.

Rund 37 Prozent der Gesamtbevölkerung sagen der Studie zufolge sogar, ihnen sei es gar nicht wichtig, sich aktiv gegen Rassismus einzusetzen. Es mangelt also offensichtlich nicht an einer informellen Gesprächskultur am Arbeitsplatz, sondern vielmehr an einem antirassistischen Bewusstsein sowie an Diskussionsräumen, Strukturen und vor allem Unterstützung für die Betroffenen.

Rassismus zeigt sich beispielsweise auch dann, wenn gesellschaftlich wichtige Ereignisse am Arbeitsplatz gar nicht besprochen werden. Wer sich selbst und Strukturen also nicht hinterfragt und damit bestehende Machtverhältnisse unbewusst als „normal“ erlebt, verstärkt Ungleichheiten. Die zentrale Frage lautet nicht: Sind wir rassistisch? Vielmehr müssen wir fragen: Wie können wir verhindern, dass wir Rassismus immer neu produzieren?

Unternehmen in der Verantwortung - Strukturen schaffen und Unterstützung bieten

Rassismus bleibt auch deshalb oft im Verborgenen, weil es keine Anlaufstellen gibt. Über 28 Prozent der in der Studie befragten Beschäftigten sagen, dass sie bei einem rassistischen Vorfall am Arbeitsplatz nicht sofort ihre Führungskraft informieren würden. Knapp 27 Prozent der Beschäftigten wüssten erst gar nicht, an wen sie sich überhaupt wenden könnten. Und so bleibt die Frage nach den Ursachen rassistischen Verhaltens und nach Lösungswegen beantwortet. Ist es die Folge (unbewussten) Alltagsrassismus oder ausgrenzender Organisationsstrukturen?

Das Anerkennen und Ernstnehmen rassistischer Diskriminierung ist ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer diversen Organisation. Eine weitere wichtige Stellschraube sind Maßnahmen, die das Bewusstsein für das Thema fördern. Und dabei haben die Unternehmen Rückenwind aus der Belegschaft. Rund 39 Prozent der Beschäftigten wünschen sich entsprechende Angebote. Neben Trainings und Empowerment braucht es für eine antirassistische Organisationskultur aber auch konkrete Handlungsstrategien, wie Entscheidungsprozesse, Einstellungsverfahren und Bewertungen chancengerechter gestaltet werden können.

Klar ist: Es ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Doch stimmt es auch positiv, wie viele Organisationen schon auf dem Weg sind und bekennen: Wir haben als Unternehmen eine gesellschaftliche Verpflichtung, uns für Diversität und gegen Rassismus einzusetzen.

 

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