d.velop AG

Unterzeichner_in seit 06/2021

„Wir leben Diversität. Unabhängig von Alter, Geschlecht, geschlechtlicher und sexueller Identität, Herkunft, Kultur oder einer Behinderung. Es ist der Mensch in seiner Vielfalt, der uns überzeugt und begeistert. “

Diversity-Tag Teilnahme

Gendergerechte Sprache – warum die ganze Aufregung?

Der Hashtag #gendergaga trendet derzeit in den sozialen Medien. Grund hierfür ist die Entscheidung von Audi für die Nutzung einer gendersensiblen Sprache im Konzern. So ist zukünftig nicht mehr von „Audianern“, sondern „Audianer_innen“ die Rede. Das Thema gendergerechte Sprache polarisiert Bei den Kommentaren vieler Nutzer in Bezug auf diese Entscheidung tun sich aktuell wahre Abgründe auf. Von beleidigten Reaktionen („das war dann jetzt der letzte Audi, den ich gekauft habe“), über hasserfüllte Postings (mit schlimmen Bezeichnungen für Vertreter:innen von Gleichberechtigung) steigert es sich bis hin zu teils unerträglichen Aussagen, von denen einige sogar ernsthafte strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten. Ich persönlich bin über die Heftigkeit der Reaktionen weniger erstaunt, dafür vielmehr über die Wortwahl mancher Zeitgenossen schockiert (und da zählt auch nicht die Ausrede: „Wir sind ja hier im Netz, da spricht man so…“). Letztlich setze ich mich wie gewohnt sachlich und inhaltlich damit auseinander, denn es gibt gute Gründe, sich mit dem Thema sehr bewusst und analytisch zu beschäftigen. Aber alles der Reihe nach… Warum ist „gendern” eigentlich so wichtig? Gehen wir zunächst der Frage nach, warum wir eigentlich gendern sollten? Warum ist das überhaupt so wichtig? Spielt bei uns aufgeklärten, modernen Menschen das Geschlecht überhaupt noch eine Rolle hinsichtlich unserer Handlungen und Entscheidungen? Im Alltag sollte man meinen, dass es das nicht tut. Auch ich bin eine Zeit lang von der wissenschaftlich nicht belegbaren Annahme ausgegangen, – und das aus der eigenen Wahrnehmung heraus – dass es geschlechterbasierte Diskriminierung in meinem Umfeld gar nicht gibt. Statistik und Wissenschaft hingegen sagen: Doch! Frauen (und auch alle nicht binären Geschlechtsidentitäten) sind in unserer Gesellschaft benachteiligt und werden nach wie vor systemisch diskriminiert. Und das passiert überall, auf allen Ebenen. Nur, weil man für sich selbst verstanden hat, dass geschlechterbasierte Diskriminierung falsch ist und abgeschafft werden muss – was, trotz der teilweise niveaulosen Debatte im Netz, sicherlich breiter gesellschaftlicher Konsens ist – ist sie das tatsächlich noch lange nicht. Sprache und ihre Gewohnheiten prägen unsere Denkmuster Und das hat selbstverständlich auch mit unseren Sprachgewohnheiten zu tun. Die Gewohnheiten des Denkens vieler vorhergehender Generationen, die durchaus noch sehr stark diskriminiert haben, wurden über den Sprachgebrauch bis in unser heutiges Denken transportiert und haben starke Muster geprägt, die nur schwer zu durchbrechen sind. Erst seit 1918 dürfen Frauen in Deutschland wählen, erst seit 1958 ist es Frauen erlaubt, ein eigenes Konto bei der Bank einzurichten und noch bis 1977 (!) war es Frauen in Deutschland verboten einen Beruf ohne Erlaubnis ihres Ehemanns / gegen die Vereinbarkeit von Beruf und Pflichten in Ehe und Familie auszuüben. Bis vor wenigen Jahren war es absolut normal, dass Frauen eine vollkommen andere Rolle inne hatten als Männer. Und dieses Rollenbild hat sich über die vielen Jahre der Diskriminierung natürlich auch sprachlich manifestiert. Auch aus diesem Grund begegnen uns heute noch überwiegend männliche Berufsbezeichnungen. So hat meine Frau beispielsweise 1996 (!) als einer der ersten Jahrgänge das Diplom an der Universität Münster als „Diplomkauffrau“ erlangt, die vielen Kommilitoninnen vor ihr als „Diplomkaufmann“. Und das auch erst, nachdem lange diskutiert wurde, ob es „Diplomkauffrau“ oder „Diplomkaufmännin“ heißen sollte. Stilblüten, wie die deutsche Amtmännin – eine meiner Meinung nach eher sarkastische Trotzreaktion – machen es nicht besser. Es gibt also – ebenfalls durch wissenschaftliche Arbeiten belegt – die Notwendigkeit, an unserer heutigen Sprache zu „feilen“, um Gewohnheiten aus der Vergangenheit abzulegen und Vorurteile zu überwinden. Und dieses „Feilen“ ist vollkommen normal: Sprache unterliegt und unterlag schon immer einem stetigen Wandel. Persönlich kenne ich beispielsweise keine Person, die noch fließend Althochdeutsch spricht – ein Zeichen für die stetige Anpassung. Trotz dieser offensichtlichen Erkenntnisse wird das Thema „geschlechtergerechte Sprache“ in Deutschland sehr kontrovers, manchmal leidenschaftlich und manchmal hitzig bis überhitzt diskutiert. Warum ist das so? Die Pro- und Contra-Argumentation Richten wir unser Augenmerk hierfür auf die häufig vernommenen Pro- und Contra-Argumente: Pro 1) Ansprache Viele vor allem junge Frauen geben an, sich bei vielen üblicherweise genutzten Ausdrucksweisen nicht angesprochen zu fühlen. Beispiel: Die Stellenanzeige für die Ausbildung zum „Bäckergesellen (m/w/d)“. Hier wurde zwar gesetzeskonform geschlechtsneutral ausgeschrieben durch den Zusatz m/w/d – aber fühlt ein Mädchen, das über eine Ausbildung zur Bäcker:in nachdenkt, sich wirklich davon angesprochen? 2) Sprachliche Repräsentation hilft Gleichstellung zu erlangen Nach wie vor sind Frauen in vielen Berufen und Aufgabenbereichen unterrepräsentiert. Es gibt einfach weniger Naturwissenschaftlerinnen, Maschinenbauingenieurinnen und Entwicklerinnen als die männlichen Pendants. Es ist allgemeiner Konsens, dass es aus gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründen gut ist, diese Unterrepräsentation zu beseitigen – zumindest sollte es keine systemische Benachteiligung geben. Eine der Maßnahmen, um dies zu ändern, ist es eben Frauen (und auch nicht binär einem Geschlecht zugeordnete Menschen) in der Sprache zu repräsentieren – zu gendern – und damit eine Normalität der Geschlechtergleichheit deutlich zum Ausdruck zu bringen und so herbeizuführen. Auch im Allgemeinen ist diese Mechanik der Repräsentation wichtig. Wie Frau Feller aus dem Podcast „Frau Feller und Frau Jahnke“ es ausdrückt: „Wenn Du in der Sprache nicht vorkommst, kommst DU nicht vor.“ 3) Eine höhere Geschlechterdiversität erhöht die Produktivität Dieser wissenschaftlich belegbare Effekt wird in den Diskussionen häufig übersehen. Wenn sich Mädchen genauso wie Jungen von bestimmten Ausbildungsberufen angesprochen fühlen, die heute noch eine Männerdomäne darstellen – und umgekehrt – führt dies zu einer höheren Diversität in den jeweiligen Berufen. Die positive Wirkung einer höheren Diversität in Teams auf die Produktivität ist wissenschaftlich nachgewiesen. Eine kleine Randnotiz: Es wird auch leichter sein, neue Mitarbeiter:innen zu finden, wenn sich größere Gruppen angesprochen fühlen – ein nicht zu unterschätzender Faktor in Anbetracht der aktuellen demographischen Entwicklung in Deutschland. Contra: 1) Gendern führt zu holpriger Sprache Gendern ist schlechte Kommunikation, der Redefluss wird gestört, ein Text wird verkompliziert – sind die oft genannten Phrasen. Häufig hört man: „Die Sprache wird holprig.“ – bis hin zum zitierten Hashtag: „Das ist doch Gaga.“ Das kann ich tatsächlich ein Stück weit nachvollziehen – in der Praxis habe ich manchmal meine Schwierigkeiten damit, im gewöhnlichen Redefluss korrekt zu gendern. Noch. Denn: Ist dieses Argument wirklich stichhaltig oder geht es nur darum, dass dieser sprachliche Wandel zunächst ungewohnt ist und schlicht und einfach noch nicht erlernt? Verschwindet das Gefühl des Holperns, wenn man sich an die neue sprachliche Realität gewöhnt hat, genauso wie das stockende Auto-Fahren irgendwann gleichmäßig wird, wenn man sich an die unbekannte Schaltung gewöhnt hat? 2) Sprachliche Repräsentation ist unnötig Das erzwungene sprachliche Repräsentieren sollte gar nicht nötig sein. Eine Gleichheit der Geschlechter sollte vollkommen selbstverständlich sein, und deshalb sollte man das Gendern nicht benötigen. Zudem haben wir in der deutschen Sprache mit dem männlichen Plural eine Form, die bereits im Verständnis vieler Menschen geschlechterneutral ist. Auch hier gilt aber leider: Die Statistiken und wissenschaftlichen Untersuchungen weisen andere Ergebnisse auf. Bei dem Plural „Maschinenbauingenieure“ denken die meisten intuitiv an Männer. Bei dem Begriff „Lehrer“ denken die meisten befragten Kinder an Männer. 3) Gendern ist eine Erfindung der politischen Linken und damit eine Ideologie Mit diesem Argument möchte ich mich nicht lange beschäftigen, da es keinen wissenschaftlichen Beleg für diese Hypothese gibt. Die Belege für einen positiven gesellschaftlichen Effekt jedoch schon. An einer positiven Entwicklung unserer Gesellschaft interessiert zu sein, ist nicht ideologisch, sondern verantwortungsvoll und zukunftsorientiert. Alles in allem lassen sich doch die häufig genannten Contra-Argumente ganz oder zumindest ein Stück weit entkräften und ganzheitlich betrachtet werden die Vorteile einer gendergerechten Sprache auf gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene deutlich überwiegen – wenngleich es für uns eine kleine Umgewöhnung sein wird. Das sehen auch 60% aller 18-29-jährigen so, die in einer Befragung durch Yougov angaben, dass gendergerechte Sprache sich durchsetzen wird. Ablehnung gendergerechter Sprache resultierte laut dieser Studie vor allem aus Unwissenheit oder Alter. Warum also die ganze Aufregung? Ich verstehe ehrlich gesagt die ganze Aufregung rund um die gendergerechte Sprache nicht. Warum gibt es teilweise diese vollkommen überzogenen Reaktionen? Vor was haben die Menschen Angst? Ist es etwa doch die unterschwellige Angst vor der längst überfälligen Abschaffung der letzten Relikte des Patriarchats? Wenn es doch nur ein paar Kleinigkeiten sind – ein paar Silben – auf die wir eine Zeitlang achten müssen, bis diese zur Gewohnheit werden – warum gibt es so starke Reaktionen und Widerstände auf vollkommen sachlich begründbare und logische Entwicklungen? Ich möchte den von mir sehr geschätzten John Cage zitieren: „I can’t understand why people are frightened of new ideas. I’m frightened of the old ones.“ Wir d.veloper:innen haben uns vor einigen Monaten ebenfalls dazu entschieden, neben unserem natürlichen Verständnis von Gleichheit auch sprachliche Regeln zur Genderneutralität einzuführen. Wir haben dazu eine Projektgruppe unter Zuhilfenahme eines externen beratenden Experten für Diversity eingerichtet, die klare Regeln der gendergerechten Sprache bei d.velop erarbeitet und derzeit alle Medien identifiziert, die nachgebessert und verändert werden müssen, um diese dann auch zu überarbeiten. Zusätzlich sind Informationsveranstaltungen und Impulsvorträge für unsere Mitarbeiter:innen in Vorbereitung. Das alles geschieht vollkommen unaufgeregt nach und nach und es ist selbstverständlich längst noch nicht alles perfekt – aber wir haben angefangen. Und wir lernen gerne jeden Tag dazu, was auch in unseren Aufgaben und sich schnell ändernden Herausforderungen in der Softwarebranche begründet liegt und damit ein Teil unserer DNA geworden ist. Ich persönlich freue mich auf die Ergebnisse und auf die zukünftig in der Folge zusätzlich gewonnenen weiblichen oder diversen Talente, die uns helfen, unserer Mission zu erfüllen. Denn letztlich ist es unsere Mission, Unternehmen und Organisationen zu helfen, ihr ganzes Potential zu entfalten und dazu gehört es, bei uns selbst damit anzufangen

Unterzeichner_innen-Daten

Unterzeichner_in seit:06/2021
Bundesland:Nordrhein-Westfalen
Organisationsgröße:mittel: 51-1000 Beschäftigte
Segment/Tätigkeitsfeld:Unternehmen: Datenverarbeitung und Datenbanken

Ansprechperson

Britta Liesbrock
Director People, Culture & Organization
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